
Von Ehrwald auf die Zugspitze
18,8 km | 2.000 hm
gewandert am 08.08.2020

Wegcharakter
Traumhafte Ausblicke, anspruchsvoll & der Sonne ausgesetzt
Die anspruchsvolle Wanderung von Ehrwald auf die Zugspitze belohnt die Anstrengung des langen Aufstiegs mit atemberaubenden Panoramablicken und führt erfahrene Bergsteiger durch abwechslungsreiche, hochalpine Landschaften. Trittsicherheit, Kondition und eine sorgfältige Planung inklusive Berücksichtigung der Wetterlage sind für diese fordernde Tour unerlässlich. Trotz guter Markierung erfordert die Route Bergerfahrung und Orientierungsvermögen im alpinen Gelände.
Key Facts
Schwierigkeitsgrad | 4/5 |
Kulturgrad | 1/5 |
Naturgrad | 4/5 |
Beste Jahreszeit | Sommer |
Startpunkt | Ehrwald |
Anreise
Wir parken das Auto am Parkplatz der Ehrwalder Almbahn. Abends bringt uns der Bus von der Talstation der Tiroler Zugspitzbahn wieder zum Ausgangspunkt. 2020 kostet uns das Parken für den gesamten Tag 5€.
Da wir bereits um 6:00 Uhr loswandern wollen, entscheiden wir uns für eine Anreise zur Zugspitzarena am Vortag. Somit können wir stressfrei und ausgeschlafen starten. Ein Hotel in Leermos bietet uns Unterkunft und ein deftig-österreichisches Abendessen a la Wiener Schnitzel.
Tourenbeschreibung
Kapitel 1: Bis zum Gatterl (Grenze Österreich-Deutschland)
Mit unserem Start um kurz vor 6:00 Uhr morgens gehören wir zu den früheren Wanderern. Auf den höchsten Berg Deutschlands pilgern jeden Tag dutzende Enthusiasten, jedoch beginnen auf unserer Route viele erst um 8 Uhr, weil dann die Ehrwalder Almbahn öffnet und einem die ersten 300 Höhenmeter erspart werden können.
So also nicht für Marc und mich – wir wollen das ganze Wandererlebnis mitnehmen und beginnen zu Fuß vom Tal. Voller Energie sprinten wir diesen ersten Abschnitt auf der Schotterstraße bergauf.
Es sollte ein perfekter Augusttag werden. So begrüßt uns die Sonne im Rücken, während die ersten Schweißperlen auf meiner Stirn zu sehen sind.
(Als hätte ich es schon gewusst, drehe ich den gesamten Tag wieder Videos für einen noch nicht vorhandenen Blog.)
Am Südhang des Massivs wandern wir stetig bergauf durch das Gaistal entlang saftiger Wiesenhängen. Ich genieße jeden Augenblick, weil die frischen Sonnenstrahlen jetzt die umliegenden Gipfel treffen. Ein morgentliches Alpenglühen.
Wir haben einfach einen perfekten Tag erwischt. Die Sonne strahlt mit aller Kraft, der Himmel ist klar und kaum Wind zu spüren. Am meisten genieße ich die Ebene zwischen der tieferen, waldigeren und grünen Ebene und der steinig rauen alpinen Ebene. Genau diese 300-400 Höhenmeter dazwischen verbinden beide Welten. Ich fühle mich hier wie ein Abenteurer auf einer friedvoll bewachsenen Mondlandschaft.
Einen grandiosen Ausblick auf der ersten Hälfte bietet der Sattel „am Brand“. Hier machen wir Rast und vespern. Von hier aus bis zum Gatterl geht es einen recht ebenen Bogen über einen Pfad teils über Geröllfelder in Richtung Grenze. Bereits beim Vespern höre ich immer wieder undeutliche, sich wiederholende, laute Rufe in der Ferne. „Eeeeooo. Eeeeooo“ schreit der Kuhhirte tief im Tal aus voller Kraft. Nicht nur ein oder zweimal, sondern stundenlang. Gemeinsam mit seinen Hunden treibt er die Herde auf höheres Gelände. Dabei schallen seine Rufe entlang der Zugspitze und den benachbarten Bergen, sodass sie uns ein ganzes Stück – bis zum Gatterl – begleiten.
Das Erreichen des Gatterls war für mich überaschenderweise ein emotionaler Höhepunkt der Tour. Die letzten Meter dort hin geht es auf starker Steigung und mit einem Seil als Sicherungshilfe entlang schroffer Felsen bergauf. Oben wartet dann der Grenzübergang mit dem Bundesadler auf uns. „Ein weiteres großes Etappenziel erreicht“ denke ich und im selben Moment erscheint der Ausblick auf das Schneefernereck. Somit beginnt auch definitiv das alpine Gelände.
Noch bevor es in die nächsten Höhenmeter geht, erreichen wir kurz nach dem Gatterl die Knorrhütte. Die „Halbzeit“ ist angebrochen. Wir stärken uns nochmals mit frischen Getränken und Vesper, wobei freilaufende Ziegen auf uns aufmerksam werden. Weniger an uns interessiert und mehr an unserem Essen schnüffeln sie umher (ein tolles Bild von Marc und der Ziege werde ich auf Instagram veröffentlichen).
Die Mittagssonne knallt nun richtig. Bis zum Gipfel gibt es keinen Schatten mehr und wir haben noch ungefähr 1000 Höhenmeter zu gehen. Mit Magnesium und Zucker tanken wir wieder die Reserven auf, wobei mich meine Muskeln die ersten 1000 Höhenmeter bereits spüren lassen.

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Das frühe Aufstehen lohnt sich, denn die ersten Sonnenstrahlen lassen die Berge leuchten

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Der Blick in Richtung Gatterl an der Grenze

Der Aufstieg zum Gatterl – der Grenze Österreich / Deutschland, muss erarbeitet werden.
Kapitel 2: Über das Schneefernereck auf die Zugspitze
Der von mir definierte zweite Abschnitt auf die Zugspitze verläuft nun im alpinen Gelände durchweg über steiles Geröllfeld, große Felsen und Schneefelder. Während uns die Sonne auf die Köpfe knallt und ihre Strahlen uns in den Schneefeldern entgegen reflektieren, schwitze ich extrem aufgrund des anstregenenden Anstiegs. Jeder Schritt geht bergauf. Kein Schritt bis zum Gipfel gibt dem Körper eine Verschnaufpause. Aber „Challenge Accepted“.
Da wir bereits einige Bergtouren gemeistert haben und ich meinen Körper kenne, fokussiere ich mich nun komplett auf meinen Rhythmus und mein Tempo. Kurze Schritte und immer schauen wohin man tritt, um nicht umzuknicken. Zudem ein regelmäßiger Atmenrhythmus, vorwiegend Einatmen mit der Nase und Ausatmen aus dem Mund. Am besten noch ein rhythmisches Lied summen. Mit diesen Techniken lassen sich lange Aufstiege sehr gut „abarbeiten“.
Nach rund 2 Stunden erreichen wir den nächsten Meilenstein – das Zugspitzplatt mit dem Schneefernergletscher. Als wir ankamen war ich noch komplett „im Film“: Ich habe mich nur auf den Weg konzentriert und regelmäßig Kraftriegel gefuttert. Dann hören wir plötzlich fröhliches Geschrei und Gelächter. Vor uns fahren Menschen auf Schlitten den Gletscher herunter. Im August!!!!
Unsere Blicke bleiben dort aber nicht lange, denn vor uns liegt nun der Gipfel der Zugspitze mit seiner Bergstation. Als ich den Weg vor uns sehe wird mir schlecht. Ich pfeiffe bereits aus den letzten Löchern und das schwerste Stück kommt allenernstes jetzt. Ein vollkommen instabiles Geröllfeld (jedenfalls noch 2020) mit einem steilen Weg, der sich im Zickzack und ohne Sicherung am Fels entlang schlängelt. An dieser Stelle waren sehr viele Mitwandernde dabei, weil sich bereits an der Knorrhütte die Wege von Ehrwald und über das Reintal verbunden haben. Deshalb gehen wir im Gänsemarsch auf das letzte Stück unserer Tour zu. Marc wandert vor mir und ich hinterher. Mein Kopf ist vollkommen im Energiesparmodus und meine Beine gehen einfach nur noch vorwärts. Mental und physisch bin ich bei diesem Abschnitt zum ersten Mal an meine Grenzen gekommen. Vorwiegend, weil ich meinen Schweißverlust und Energieabrieb der letzten 7 Stunden nicht komplett durch Nahrungs- und Wasseraufnahme wett machen kann, aber auch, weil mir die Sonne seit ihrem Aufgang auf den Deckel scheint.
Damals war mir ehrlich gesagt nicht klar, welche Menschenmassen über die Gondeln auf die Zugspitze pilgern. Bei meinem ersten Schritt auf die Plattform war ich geschockt. Auf Tischen tanzende Junggesellabschiede zu „Malle-Musik“ und sandalentragende, asiatische Touri-Gruppen kommen uns entgegen.
Ich fühle mich wie ein gehendes Wrack. „Komm wir klettern noch auf den Gipfel“ kommt mir Marc von der Seite an. Aufgrund des ganzen Stresses, der mich dort oben erwartete, habe ich vollkommen vergessen, dass wir noch gar nicht oben waren. Als wir nun das „letzte Stück“ zum Gipfel vor uns sehen, konnte ich nur noch die Hände vors Gesicht schlagen. Nicht wegen des Gipfels, sondern weil sich bereits erwähnte Menschengruppen tatsächlich an der Leiter zum Felsaufstieg anstellten.
Ich wusste in diesem Moment nicht, ob ich den Gipfel wirklich noch erreichen möchte, oder ob ich es hier gut sein lasse. Nach einer kurzen Abschätzung entscheiden wir uns aber dennoch zum Anstellen und schießen voller Stolz unser Gipfelkreuzfoto.

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Über Geröll- und Schneefelder geht es in den letzten Abschnitt unserer Zugspitzbesteigung

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Am (unspektakulären) Gipfelkreuz angekommen
Ausrüstung & Verpflegung
Ausrüstung
Gute Wanderschuhe sind absolute Pflicht. Ansonsten ist die Variante übers Gatterl zwar sehr anstrengend, aber technisch nicht schwierig. Ich habe deshalb nur meinen Tagesrucksack dabei gehabt. Da man eher wenig Schatten hat, sollte unbedingt auf den Sonnenschutz geachtet werden.
Verpflegung
Nach gut der Hälfte der Strecke (4h) erreicht man die bewirtete Knorrhütte. Diese liegt perfekt, um sich nochmals die Energietanks aufzufüllen. Auf der Zugspitze an sich gibt es mehr als genug Essens- und Getränkeangebote.
Ansonsten muss ausreichend Wasser und Snacks mitgenommen werden.
5 Fragen
Warum habe ich diese Tour gewählt?
Auf die Zugspitze gibt es 3 bekannte Routen:
1. Von Ehrwald übers Gatterl
2. Durch das Reintal
3. Durch das Höllental
Unsere Route von Ehrwald gilt als einfachste Option und war deshalb die Wahl für unsere erste Besteigung. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch weniger hochalpine Bergerfahrung.
Welcher Moment blieb mir in Erinnerung?
Zum einen das Erreichen des Gatterls und zum anderen mein Schwindel beim letzten Stück vor der Bergstation.
Was hat mir nicht gefallen?
Die Zahl der Bergsteiger steigt immer weiter. Da ich selbst einer bin, stört mich das auch weniger, als der Gondeltourismus am Gipfel. Würden die Menschen auf der Bergstation bleiben, würde niemand etwas sagen, aber am Schlimmsten sind Diejenigen, die mit Schlappen und schlechter Ausrüstung die letzten Meter zum Gipfelkreuz gehen, obwohl selbst diese Meter durch alpines Gelände führen und der Gipfel nur über eine Leiter erreicht werden kann.
Mit wem war ich unterwegs?
Mit Marc. Wir haben ein ähnliches Fitnesslevel und bilden deshalb das perfekte Duo.
Würde ich diese Wanderung nochmal gehen?
Je mehr Zeit nach einer Tour vergeht, desto weniger erinnert man sich an die Qualen während der Tour. 2.000 Höhenmeter am Stück zu gehen ist bisher mein Rekord. Ich erinnere mich aber genau wie schmerzhaft meine Füße am Ende waren. Vermutlich würde ich die Strecke trotzdem nochmals wandern, allerdings würde mich auch die Variante durchs Reintal mit einer Übernachtung reizen.