
Abbruch bei der Großvenedigerbesteigung, Hohe Tauern
für uns nur 13 km | für uns nur 890 hm | 2 Etappen
- Wegcharakter
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- Ausrüstung & Verpflegung
- Fragen

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Wegcharakter
„Am Ende hat der Berg das letzte Wort“
Diese Tour dient nicht als „Wegbeschreibung“, da sie nicht vollständig ist, sondern beschreibt nur unseren gescheiterten Versuch den Großvenediger zu besteigen. Wir wandern in einer Gruppe zu zehnt inklusive erfahrenem Bergführer.
Der Großvenediger (3.657 m) gilt als gute Einsteiger-Gletschertour. Der Weg bis zur Kürsinger Hütte ist teilweise steil und kurz, aber konditionell anstregend. Für die gesamte Besteigung benötigt es eine sehr gute Kondition und Konstitution sowie mindestens einen sehr erfahrenen Bergsteiger- oder Führer in der Seilschaft.
Der Großvenediger ist nur über seinen Gletscher begehbar. Deshalb sollte man ihn nicht alleine und nur mit entsprechender Ausrüstung (Steigeisen, Seile, Eispickel) und bewandert werden.
Key Facts
Schwierigkeitsgrad | 5/5 |
Kulturgrad | 2/5 |
Naturgrad | 4/5 |
Beste Jahreszeit | Sommer |
Startpunkt | Parkplatz Hopffeldboden möglich |
Anreise
Wir treffen uns mit unseren Mitwanderern und dem Bergführer Max Kroneck am Parkplatz Hopffeldboden (Parkgebühr: mindestens 5 €/Tag, Münzen empfohlen). Da wir mit Max einen Shuttle zum oberen Tal gebucht haben, beginnt unsere Wanderung erst weit hinter der Postalm an der Talstation des Lastenaufzugs. Wer auf den Shuttle verzichtet, sollte frühzeitig starten. Ich würde aber beim nähsten Mal ebenfalls lieber komplett raufwandern.
Abenteuerberichte
gewandert von 09.07.-10.07.2022
Etappe 1: Von der Talstation des Lastenaufzugs zur Kürsinger Hütte
3,2 km | 590 hm
Noch am Morgen reisen wir von Stuttgart an die Hohen Tauern, genauer gesagt ans Venedigermassiv. Für unsere erste Gletschertour und bis dato höchste Gipfelbesteigung (3.657 Meter über dem Meeresspiegel) verabreden wir uns mit einer Wandergruppe und einem ausgebildeten Bergführer. Die Gruppe besteht aus 5 Zahnmedizinern und einzelnen Bergbegeisterten aus Süddeutschland. Bei einem frontalen Sturz aufs Gletschereis wären wir jedenfalls dental von Ersthelfern umsorgt.
Nach einem kurzen Kennenlernen beäugt der Wanderführer Max die Ausrüstung der Teilnehmenden und befragt uns nach unserem Erfahrungslevel. Er scheint zufrieden zu sein, denn jeder wird in den Pick-Up-Bus gebeten, welcher uns bis zur Talstation des Liftenaufzugs fährt. Hier werden frische Lebensmittel und Ausrüstung zur Kürsinger Hütte geliefert. Notfalls würde sicherlich auch eine Person reinpassen. Aus dem Bus heraus zieht das Tal am Großvenediger so schnell an uns vorbei – schade, dass wir es nicht erwandern sollten. Beim nächsten Mal würde ich lieber 2h früher anreisen.
Aus einem Lager am Lastenaufzug werden wir dann mit Steigeisen, Eispickel und Helm ausgerüstet. Die Steigeisen packe ich in den Rucksack, Pickel und Helm kann ich an den Verschlüssen außerhalb des Rucksacks anbinden. Das Gepäckgewicht hat sich nunmal schnell um 4-5 kg erhöht. Unser Rucksack ist bei einer zweitätigen Tour zwar ohnehin nicht schwer, jedoch sind auf diesen Höhen unbedingt warme, regen- und windfeste Kleidung mitzunehmen. Wenn es im Tal dann noch warm ist, wird der Rucksack schnell zum Schwergewicht.
Unser Weg zur Kürsinger Hütte beträgt nur kurze 3,2 km, aber sehr steile 590 hm. Zum Glück hatte ich vor der Tour nochmals Kraftausdauertraining betrieben, denn die Gruppe sprintet gefühlt über diese 600 Höhenmeter. Als könnten wir es alle gar nicht erwarten auf den Gipfel zu kommen, wird der eigentlich wunderschöne Weg nur als Katzensprung zum Basislager betrachtet. Allerdings ist der Weg zur Unterkunft atemberaubend. Wir wandern auf einem abgeschmolzenen Gletscherfeld. Regelmäßig begegnen wir Markern, die uns zeigen, zu welchem Jahr hier noch die Gletschergrenze existierte.
Auf 2.570 m ü. A. gelangen wir zum Großvenedigerstützpunkt – der Kürsinger Hütte. Mit 138 Betten, einer warmen Küche und sogar einer Kletterwand, eine große und gut bewirtete Hütte. Mit mindestens 3 anderen Expeditionen teilen wir uns die heutige Übernachtung und den Aufstieg zum Großvenediger über Nacht. Jede Gruppe bildet eine Seilschaft – also ein Team, das sich mit einem Seil verbunden auf den Weg über den Gletscher macht. Da wir aber erst in der Nacht aufbrechen, nutzen wir den Nachmittag auf der Hütte, um uns noch bestmöglichst vorzubereiten:
1. Wir lernen uns besser kennen und versuchen unsere Stärken und Schwächen zu besprechen. Da wir alle an einem Seil verbunden sein werden, ist es wichtig einander vertrauen zu können.
2. Wir studieren gemeinsam die Wanderroute auf der Karte und diskutieren das durchwachsene Wetter.
3. Wir machen gemeinsam einen Gear-Check. Jeder zieht die Steigeisen über die Schuhe, damit wir am Gletscher hierzu routiniert sind.
4. Wir besprechen Notfallsituationen wie z. B. wenn Jemand in eine Gletscherspalte fällt. Hierzu üben wir entsprechende Knoten und das Abseilen an der Kletterwand.
Die Atmosphäre während diesen ca. 10 Stunden auf der Hütte ist unglaublich spannend oder sogar angespannt. Hauptgrund hierfür ist sicherlich die schlechte Wettervorhersage. Diese führt dazu, dass sich jede Expedition nochmals akribischer auf gefährlichere Situationen vorbereitete. Zudem ist die Gruppendynamik sehr differenziert. Unsere Gruppe besteht aus eher ruhigeren Charakteren. Unser Führer Max strahlt Sicherheit und Erfahrung aus und es bestand zu keiner Sekunde Zweifel an seiner Person. wir wussten, dass Sicherheit an oberster Stelle steht und wir nur soweit gehen würden, dass kein Leben in Gefahr ist. Eine andere Gruppe wiederum wollte unbedingt auf den Gipfel, ohne Rücksicht auf das Wetter und die Gefahren. Schließlich hätten sie die Tour auch bezahlt. Wir erfuhren später von Max, dass die Teilnehmenden des anderen Wanderführers deshalb extremen Druck auf ihn ausübten und dort bereits schlechte Stimmung über einen möglichen Abbruch herrschte.
Max bereitete uns am Abend deshalb soweit vor:
Wir starten um 3 Uhr nachts mit Stirnlampen, um eine gutes Wetterfenster zu erwischen. Wir gehen solange Richtung Gipfel, bis er das Gefühl hat, eine sichere Rückkehr könne ggf. nicht mehr gewährleistet werden.
Damit waren wir alle d’accord!

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Aufstieg zur Kürsinger Hütte

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Gletscherstand 1892

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Gear-Check vor der Gletscherbesteigung
Etappe 2: Nächtlicher Aufstieg auf den
Großvenediger … oder der Versuch dazu
Um einen guten Schlaf zu gewährleisten, nutze ich Schaumstofforopax. Unsere gesamte Gruppe übernachtet in einem Bettenlager auf der Hütte. Erfahrungsgemäß ist dann immer der ein oder andere „Schnarcher“ dabei. Mit den Schaumstofforopax höre ich absolut nichts mehr.
So auch nicht die zick Wecker, die um 3 Uhr nachts plötzlich klingeln. Als jemand an mir rüttelt und ich meine Augen öffne, waren bereits alle in Aufbruchstimmung, angezogen und Zähne putzend. Diese Oropax sind einfach zu gut…
In voller Wandermontur treffen wir uns um 3:30 Uhr im Gastraum mit dem Bergführer. Dort gibt es zwei Scheiben Brot und Kaffee für jeden, der etwas runterbekommt. Während ich mir ein Käsebrot reinquäle, versuche ich die Wetterlage zu erkennen.
Es regnet nicht als wir loswandern. Mit einer Stirnlampe geht es also los in die Dunkelheit in Richtung Großvenedigergipfel. Es ist frisch, aber nicht kalt. Bereits nach 30 Minuten Gehzeit über felsiges Gelände beginnt es wieder zu regnen. Unsere guten Regenjacken schützen uns vor der Nässe, allerdings kommt uns nun auch dauerhafter Wind entgegen. Die ersten Sonnenstrahlen versuchen durch die dichte Wolkendecke zu brechen, da entdecken wir endlich den monumentalen Geltscher vor uns. Mit einem grau-weißen Blauton und voller Risse wie ein durch die Zeit gezeichneter alter weiser Mann streckt er sich uns entgegen. Wir sehen zu diesem Zeitpunkt ungefähr 500 Meter weit auf den Geltscher, ohne den Gipfel des Großvenediger auszumachen. Als wir uns dem Gletscherrand nähern verstummen alle Gespräche. Man spürt die Ehrfurcht und den Respekt vor dem Berg und seinem Gletscher.
Die anderen Wandergruppen sind bereits vor uns am Gletscher angekommen, sowie eine die sich etwa einen Kilometer hinter uns befindet. Wir sehen 2 Gruppen in der Seilschaft mitten auf dem Gletscher, wobei die oberste Gruppe im Nebel verschwindet und bereits kaum auszumachen ist. Auf Kommando bleiben wir am Gletscherrand stehen und ziehen die Steigeisen über die Wanderstiefel. Jeder wird an das Gruppenseil gebunden. In einer Reihe aufgestellt, in der rechten Hand den Eispickel, in der linken Hand einen Wanderstock, prüfen wir ein letztes Mal die Ausrüstung und begeben uns dann aufs Eis.
Auf den ersten Metern fühlt sich der Untergrund noch nach Schnee an, sobald es aber steiler wurde, konnten wir fühlen, wie sich die Spitzen der Steigeisen im Eis verankern. Ich fühle mich anfangs noch etwas wie Spiderman, muss aber sogleich den Eispickel in den Boden rammen, als es noch steiler wurde und ich ein Rutschen an den Füßen spüre.
Der Wind wird nun zum Sturm, der Regen zum Schnee und die Temperatur eisig. Jeder Wanderer straffte die Mütze seiner Regenjacke ins Gesicht, sodass nur noch die Gletscherbrille und die Nase zu sehen waren. Ich sehe nichts mehr außer zwei Personen an meinem Seil in je 3 Metern Abstand. Sonst ist einfach alles weiß. Die Luft, der Nebel, der Boden. Ich höre auch nichts mehr außer ein dauerhaftes Rauschen des Windes an meinem Ohr und den Schnee, der an meiner Brille abprallt. 10 Minuten lang denke ich daran, wie es wohl wäre hier verloren zu gehen. Ist das ein Whiteout? Ich spüre meine Finger kaum noch. Alles ist nass und beginnt leicht zu gefrieren. Plötzlich werde ich mit einem gewaltigen Ruck von hinten aus meinen Gedanken gerissen. Reflexartig ramme ich den Eispickel in den Boden. Genauso wie mein Vorder- und mein Hintermann. Ich drehe mich um und sehe jemanden am Ende der Seilschaft auf dem Boden. Die Person ist ausgeruscht und rafft sich bereits wieder auf, hat aber die gesamte Seilschaft bis zu meiner mittigen Position zum Stehen gebracht. Unser Bergführer bemerkt nun den Widerstand des Seils und bleibt stehen. Ein kurzer Check und ein Daumen hoch lässt uns jedoch weitergehen.
Beim Überschreiten der kleinen Spalten wird mir ganz mulmig. Auf der Oberfläche sehen sie aus wie kleine Risse, schaut man aber genau hin, verbergen sich metertiefe und breite Gletscherspalten da unten. Die tödlichen Fallen werden von uns sehr vorsichtig überschritten.
Nach 20 weiteren Gehminuten bleibt der Tross erneut stehen. Stillstand fühlt sich jedoch qualvoll an. Die Nässe und Kälte in den Knochen wird schmerzhaft. Der eisige Schneewind und der dichte Nebel dazu entwickeln sich zunehmend zu einer Gefahr. Diese spüre nicht nur ich in meinen Gedanken, sondern auch unser Bergführer.
Wir drehen um.
Zum Glück, denke ich.
Max erklärt uns gegen den Wind schreiend, dass wir es nicht zum Gipfel schaffen würden, ohne tödliche Risiken einzugehen. Keiner widerspricht ihm. Allerdings drehen sich meine Gedanken sofort um die anderen Gruppen. Wir sehen verschwommen eine Gruppe vor uns, aber wo ist die andere?
Unsere Seilschaft macht einen U-Turn und wandert der Gruppe, welche sich 1 km hinter uns befand, entgegen. Wie zwei Züge auf einer Doppelspur treffen wir uns auf dem Gletscher. Die beiden Bergführer an der Spitze besprechen sich kurz. Daraufhin macht auch diese Gruppe eine Wende und geht hinter uns bergab zum Ende des Gletschers.
Weil man mit den Steigeisen nicht auf Stein laufen kann, ziehen wir diese direkt am Gletscherrand aus. Ich spüre bereits trotz Handschuhe keinen meiner Finger mehr. Nur noch den Kälteschmerz. „So müssen sich die Bergsteiger am Mt. Everest fühlen“ denke ich mit einem glücklichen Gefühl beim Abstieg. Nach einer kurzen Lagebesprechung wird klar, dass wir schnellstmöglichst an Höhenmetern verlieren müssen, um wieder in wärmere Juli-Temperaturen zu kommen. Deshalb machen wir uns in schnellem Schritt auf zur Kürsinger Hütte. Unser Bergführer Max telefoniert bereits mit den anderen Bergführern und teilt uns mit, dass auch die letzte Gruppe kurz vor dem Gipfel abbrechen musste und sich auf dem Rückweg befindet. Somit steht fest, dass am heutigen Tag keine Seilschaft den Großvenedigergipfel erklimmt.
Da wir heute noch zum Tal absteigen, aber früher als geplant dran sind, können wir uns für eine Stunde in der Hütte aufwärmen. Dieses Gribbeln in den Händen und Füßen werde ich nicht mehr so schnell vergessen.
Letztendlich war diese Tour ein unglaublich prägendes und erfahrungsreiches Erlebnis. Ich glaube, ich habe mit diesem „Fehlschlag“ weitaus mehr über das Bergsteigen und den Berg gelernt, als an einem perfekten, sonnigen Tag und einem vergleichsweise leichten Aufstieg. Kein Gruppenmitglied war deshalb schlecht gelaunt oder enttäuscht. Wir nahmen diese Tour als Gewinn mit nach Hause. Jedoch gibt es auch die andere Art Bergtourist. Als die letzte Gruppe zurück zur Kürsinger Hütte kehrte, hörte ich noch eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen dem Bergführer und seinen Kunden. Kein Mensch in dieser Hütte hatte Verständnis für den Kunden. Ich bin froh, dass unsere Bergführer so ausgebildet werden, um Gefahren zu erkennen und in schwierigen Situationen Entscheidungen treffen zu können.

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Der Gletscher am Großvenediger

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Ausrüstung & Verpflegung
Folgende Ausrüstung sollte unbedingt dabei sein:
– Gletscher-Sonnenbrille
– Stirnlampe
– Wanderschuhe der Kategorie C für die
– Steigeisen und Pickel
– Wanderstöcke
– Regenfeste Kleidung
– Warme Kleidung
– Sonnenschutz
– Hüttenschlafsack bei der Übernachtung
– Powerbank
– Handy, GPS
– mindestens eine Karte pro Gruppe
– Handschuhe und Mütze
– Medi-Kit
– Biwak-Sack
Zu Essen gibt es natürlich etwas in der Hütte. Ich nehme auf Touren aber natürlich immer ausreichend Wasser und Snacks mit.
5 Fragen
Warum habe ich diese Tour gewählt?
Eine geführte Gletscher-Tour, die einsteigerfreundlich sein sollte und am liebsten in Österreich. Das waren die Bedingungen.
Welcher Moment blieb mir in Erinnerung?
Vor allem die Momente am Seil in der Seilschaft, als es stürmte, schneite und vernebelt war und man nichts mehr um sich herum gesehen oder gehört hat, außer den Vordermann.
Was hat mir nicht gefallen?
Der Shuttle-Transfer durch das Tal war unnötig, gehörte aber zur geführten Tour. Außerdem war die Kürsinger Hütte preislich eine der teuersten Hütten, die ich bisher besucht habe.
Hatte ich Angst und wobei?
Im Text steht glaube ich ausführlich beschrieben, welche Ängste auf einer Tour entstehen können. Tatsächlich hatte ich jedoch mehr Angst um die waghalsige Gruppe, als um unsere, weil ich unserem Bergführer vertraut habe.
Welche Ausrüstung war überflüssig?
Jeder Luxus-Gegenstand für die Berghütte wie z.B. eine Jogging-Hose oder zusätzliche T-Shirts.